00:00
01:55
  • Mahler Meint
  • Kommentar

Nehmt uns endlich ernst!

03.09.2024

Ich hatte letzten Freitag ein Biermann-Zitat in meinem WhatsApp Status.

„Die, die zu feige waren in der Diktatur, rebellieren jetzt ohne Risiko gegen die Demokratie. Den Bequemlichkeiten der Diktatur jammern sie nach und die Mühen der Demokratie sind ihnen fremd“.

Ergebnis: ein wütender Kommentar von einem guten Freund, der gleich meine Handynummer gesperrt hat, um so etwas nie wieder lesen zu müssen.

Es war zwei Tage vor den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen. Die Stimmung im Land ist aufgeheizt. Und Domenik ist im Alter von 18 Jahren aus Thüringen in den Westen gekommen. Hier hat er sich eine Existenz aufgebaut, eine Familie gegründet, hat einen guten Job bei Bosch. Er schätzt die Demokratie, die ihm vieles ermöglicht hat. Und doch sieht er manches kritisch. Er ist als Impfgegner verleumdet und stigmatisiert worden. Sieht die Waffenlieferungen in die Ukraine kritisch. Sieht den Wirtschaftsstandort Deutschland gefährdet. Und fragt sich, ob die westliche Demokratie nicht langsam in Richtung Meinungsdiktatur entgleitet. Und die kennt seine Familie aus eigener Erfahrung zur Genüge. In der Deutschen Demokratischen Republik sind sie als Kirchenleute schikaniert und bespitzelt worden.

Er wünscht sich eine Alternative zur Ampel. Und sieht mit Sorge die Radikalisierung der Alternative für Deutschland, obgleich die AfD und das BSW einige seiner Positionen als einzige Parteien vertreten.

Wir haben uns intensiv ausgesprochen. Und festgestellt, dass wir beide – aus Ost und West – mit beiden gelebten Demokratien unzufrieden sind.

Zwei Konsequenzen: Andersdenkende nicht diffamieren, sondern das Gespräch suchen.

Und: Meine politische Meinung ist zu komplex, als dass sie in einen WhatsApp Status passt. Ich lasse das in Zukunft sein.