Die Dekadenz hat aufgehört, sich zu schämen
Von der Seele reden
28.10.2025
Von der Seele reden – der Kommentar von Prof. Dr. Klaus-Dieter Müller, Politik- und Medienwissenschaftler und Vorstand der „Stiftung: Christliche Werte leben“.
Jeden Donnerstag um 20:45 Uhr im Radio und bereits vorab hier den ausführlichen Kommentar online hören. Mehr Infos zur Stiftung auf www.christlichewerteleben.de
Die Dekadenz hat aufgehört sich zu schämen
Die Entstehung des Begriffs Dekadenz lässt sich auf das lateinische Wort „cadere“ zurückführen, was „fallen“ oder „sinken“ bedeutet. Heute wird der Begriff oft im Zusammenhang mit dem kulturellen Niedergang und moralischen Verfall verwendet.
Man muss sehr vorsichtig sein, wenn man andere als dekadent bezeichnet, aber Bundeskanzler Merz gibt allemal Anlass, im Zusammenhang mit seiner Person über Dekadenz nachzudenken. Vor einiger Zeit fiel mir die ungekürzte Ausgabe eines Buches von Friedrich Merz in die Hände mit dem Titel „Mehr Kapitalismus wagen“. Auf Seite 220 finde ich folgenden Wortlaut: „Unsere Volkswirtschaft kann zur Not ohne Automobilindustrie, ohne chemische Industrie, ohne Maschinenbau, ja selbst ohne eigene Energieerzeugung auskommen. (…) Banken hingegen sind das Herz-Kreislauf-System einer jeden Volkswirtschaft. Deshalb tut die Politik gut daran, vergleichbare Staatshilfen für andere Sektoren klar und eindeutig abzulehnen.“ Schon damals gelang ich zur Überzeugung, ein Mann, der so etwas schreibt, darf diese Republik nicht führen.
Jetzt hat er den moralischen Verfall auf die Spitze getrieben. Er sagte in Brandenburg: „Bei der Migration sind wir sehr weit. Wir haben in dieser Bundesregierung die Zahlen August 2024, August 2025 im Vergleich um 60 Prozent nach unten gebracht, aber wir haben natürlich immer im Stadtbild noch dieses Problem.“ Einige Tage später setzt er noch eines drauf: "Fragen Sie Ihre Kinder, fragen Sie Ihre Töchter, fragen Sie im Bekanntenkreis. Alle bestätigen, dass das ein Problem ist, spätestens mit Einbruch der Dunkelheit." Die Anwesenheit von Migranten in unserem Land ergibt ein problematisches Stadtbild, meint der Kanzler pauschal. Wie wenig Achtung vor anderen muss ein Mensch haben, der so etwas sagt. Man stelle sich doch abends mal an einen Kriminalitätsschwerpunkt unserer Stadt. Es sind in der Tat eine Reihe von Männern, die das Problem darstellen, aber allemal so viele Deutsche wie Migranten. „Alleinstehende junge Männer sind immer mit großer Vorsicht zu betrachten – auch völlig unabhängig von ihrer Nationalität“, sagte Heinz Buschkowsky, Neuköllns ehemaliger Bürgermeister. Unabhängig von ihrer Nationalität seien sie ein „Risikofaktor“. An den entsprechenden Orten müssen sehr viel mehr Video-Kameras installiert werden und Polizeibeamte sehr viel öfter Präsenz zeigen.
Obwohl Politiker sich zum Fremdschämen verhalten, werden sie trotzdem gewählt. Bundeskanzler Merz vergriff sich derart im Ton, dass ich Scham empfand, ein Deutscher zu sein.
Ich wünsche Ihnen eine Woche voller Respekt, aber bitte bleiben Sie achtsam.