Philosemitismus oder Antisemitismus?
Gestern musste ich wieder einmal an meinen Kirchengeschichtslehrer Günter Balders in Ham-burg denken. Er sagte einen Satz in einer Vorlesung, der mir bis heute haften geblieben ist: „Philosemitismus ist ebenso gefährlich wie Antisemitismus“. Warum habe ich gestern daran gedacht? Klar, die Reichspogromnacht jährte sich zum 85igsten Mal. Das war sicher der Grund, dass die Nachrichten und die Zeitungen voll waren von Israels Geschichte und von den schlimmen antisemitischen Vorfällen, die sich seit dem Gaza-Krieg drastisch vervielfachen.
Leider musste ich wieder einmal feststellen, dass selbst unser Bundespräsident nicht zwischen Religion und Rechtsstaat unterscheiden kann. Ständig ist vom Judentum die Rede, wenn es um den säkularen Staat Israel geht. Und – ständig wird der jüdischen Gemeinde eine Plattform geboten, sich in ihrer Opferrolle zu suhlen – für mich bis zur Unerträglichkeit.
Wenn eine jüdische Ärztin in der Stuttgarter Zeitung beklagt, dass sie als Jüdin von der deut-schen Politik nicht genügend geschützt wird, wenn jede Äußerung, die Mitleid mit der palästinischen Bevölkerung beinhaltet gleich als antisemitisch einsortiert wird, dann ...
Ja dann wird der Philosemitismus genauso gefährlich wie der Antisemitismus. Wenn man dem Staat Israel, der sich genauso ans Völkerrecht halten muss wie jeder andere auch, alles ver-zeiht, weil wir ja einmal „eine historische Schuld“ auf uns geladen haben, dann wird der Schuss nach hinten losgehen. Wasser auf die Mühlen aller AntisemitInnen. Und das will hoffentlich keiner – auch die jüdische Gemeinde vermutlich nicht – oder doch?