Die dunkle Seite von #MeToo.
„Wir müssen die Unschuldsvermutung wieder ernster nehmen“, fordert der Strafrechtsprofes-sor Tonio Walter. Hintergrund: „Falschbeschuldigungen im Sexualstrafrecht“ oder, wie Walter seinen Artikel im „Schweizer Monat“ überschrieb: „die dunkle Seite von #MeToo.“
Das heißt: die Folgen der Reform des Sexualstrafrechts bewirkt, dass „Jede sexuelle Handlung gegen den Willen eines anderen zur Straftat wird, auch ohne körperlichen Widerstand“. Das erhöhe die Gefahr von Verleumdungen.
In Stuttgart gab es zwei Fälle von Verfahren gegen Polizeibeamte, die zunächst der Vergewaltigung bezichtigt wurden, aber dann nach Kamerabeweisen bzw. gründlichen Recherchen freigesprochen wurden. Im jüngsten Fall wurde die Verleumdung einer Polizistin gegen ihren Kollegen gar mit 8 Monaten Haft auf Bewährung bestraft.
Inzwischen geht die Justiz in einem Drittel der Anzeigen wegen sexueller Nötigung von Ver-leumdungen bzw. Falschaussagen aus. Zu einem erheblichen Teil haben sich die vermeintlichen Opfer Verletzungen selbst beigebracht, um bei der ärztlichen Untersuchung eine Vergewaltigung nachzuweisen.
Für die zu Unrecht Beschuldigten sind die Folgen gravierend: „Der soziale Tod tritt sofort ein“, sagt Walter. Geht die betreffende Person in Haft, steht sie sofort auf der untersten sozialen Stufe – oft ein Leben lang.
Walter fordert, die Unschuldsvermutung wieder ernster zu nehmen. Polizisten, Richter und Staatsanwälte sollen zwar den Frauen mit Einfühlungsvermögen und Verständnis begegnen, aber auch alles ermitteln, was die Behauptungen erschüttern könne. Das sei keine frauenfeindliche Schikane, so Walter weiter. Glaubwürdigkeitsgutachten und Lügendetektor bedeuten zwar einen hohen Aufwand – aber der sei es allemal wert, um Fehlurteile zu verhindern.